Fabian Neidhardt
3 min readOct 26, 2016

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Ich bin es müde, euch jammern zu hören.

Maximilian Weingartner hat für die FAZ einen Artikel über das schwere Überleben als Schriftsteller geschrieben. Mir ist er vor allem deshalb aufgefallen, weil seine Überschrift den Plot meines ersten Romanes „Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem Türrahmen“ ganz gut zusammenfasst. Das fand ich witzig. Den Rest des Artikels fand ich interessant, aber nicht sonderlich neu.

In meinem Social-Media-Freundeskreis dagegen, in dem auch viele andere Schreibende sind, wird der Artikel rumgereicht und als Rampe für ein Jammern verwendet, in das dann andere in den Kommentaren wieder einsteigen können. Das Bild oben ist nur ein Beispiel, davon gibt es in meiner Timeline mehrere und der Tenor ist, „uns geht es so schlecht, alle Menschen sind böse und sowieso die Kostenloskultur und früher, klar war da alles besser. “ Und alle nicken und bemitleiden sich selbst.

Und ich stehe hier vor meinem Rechner und denke, was ein Schwachsinn. Was soll dieses Gejammere? Was soll dieses polemische Getue, ganz egal, ob es um Dinge wie die Kostenloskultur oder um das politische Klima geht. Es ist einfach, zu jammern. Noch einfacher, mitzujammern. Es fühlt sich so gut an, wenn man sich gegenseitig darin bestärken kann, wie schlecht es einem geht. Dabei ist das nicht der Fall. Ich hatte das schon vor kurzem in meiner Replik zu Nina Georges Rede auf den Leipziger Buchtagen und erst am Freitag auf der Buchmesse, als ich auf der Bühne über Piraterie diskutiert habe:

Wir haben das „Problem“ Kostenloskultur schon längst überschritten. Wie lange wollt ihr euch denn daran aufhängen? Und Werteverfall? Wirklich? Als der Roman als Unterhaltungsmedium die Massen erreicht hatte, schrie die Elite auch schon „Werteverfall“ gegenüber dem Drama und der Oper. Jetzt haben sich die Rollen gewandelt, aber die Schreie sind die gleichen.

Warum ich Anfangs gesagt habe, der Artikel enthält kaum Neues: Wer kommt denn überhaupt auf die Idee, Schriftsteller sollten allein vom Bücherverkauf leben können? Seit wann gehören Aktivitäten wie Lesungen nicht mehr zum „Beruf“ Schriftsteller? Seit wann ist das Schreiben ein Beruf? Die Zeiten, dass Menschen nur vom Schreiben leben können, sind noch gar nicht so lang. Goethe und Schiller hatten ihre Mäzene, Kafka hat in der Versicherung gearbeitet, Kästner war Journalist und Hesse hat sich sein Zubrot verdient, indem er persönliche Texte für seine Fans verfasst hat. Natürlich gibt es Menschen, die allein vom Buchverkauf leben, aber diese waren schon immer wenig. Und die Raubkopierer gibt es ebensolange, wie es den Buchdruck gibt. Das sind keine neuen Probleme und früher war eben nicht alles besser.

Die Deutschen geben nicht nur immer mehr Geld aus, sie geben auch immer mehr Geld für Kultur und Unterhaltung, also auch für Bücher aus. Und überhaupt, erst Anfang des Jahres wurde Deutschland zum besten Land der Welt gekürt.

Klar gibt es überall Probleme und will nichts weg oder klein reden. Ich kann es nur nicht hören, wenn jemand unfundiert und nur des Jammerns wegen jammert. Und richtig schlimm finde ich es, wenn man dazu dann nickt. Wenn euch wirklich etwas stört, dann arbeitet daran. Diese Welt ist ständig im Wandel. Wandelt euch mit, passt euch an. Das ist Arbeit und anstrengend. Aber es lohnt sich.

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